150 Jahre Nahverkehr in München
1861 - 2011
Text von Presseaussendung / Genehmigung MVG - München - Herr Korte
Gestaltung von Franz Straka

2011 feiert die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) mit allen Münchnerinnen und Münchnern und ihren Gästen

•  150 Jahre öffentlicher Nahverkehr (erster „Bus“ am 16. Juni 1861)

•  135 Jahre Straßenbahn (erste Pferdetram am 21. Oktober 1876)

•  40 Jahre U-Bahn (Inbetriebnahme am 19. Oktober 1971)

Das dreifache Jubiläum ist Anlass für ein großes MVG-Fest am Samstag, 22. Oktober 2011. Durch die Innenstadt wird dann ein großer Korso mit historischen Trambahnen und Bussen rollen. Außerdem lassen die MVG und der Unternehmensbereich Verkehr der Stadtwerke München (SWM) alle Interessierten hinter die Kulissen blicken: Die Technische Basis der U-Bahn in Fröttmaning lädt zu einem Tag der offenen Tür ein, ebenso der Straßenbahn-Betriebshof in Steinhausen. Und im MVG Museum gibt es ein buntes Programm für die ganze Familie. Die Einzelheiten der Jubiläumsfeier und der genaue Ablauf sind derzeit in Planung.

1861 Erster Linienverkehr mit Kutschen

Der erste Linienverkehr in München. Foto: MVG - München

Am 16. Juni 1861 – München zählt rund 150.000 Einwohner – schlägt die Geburts-stunde des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) unter privater Regie. Mit eisenbereiften Großraumkutschen nimmt der Fuhrunternehmer Michael Zechmeister erstmals in München einen Linienbetrieb nach heutigem Muster auf. Seine von Pferden gezogenen „Groschenwagen“ fahren nach Fahrplan auf fester Route, zunächst zwischen Centralbahnhof, Marienplatz und Mariahilfkirche (Abbildung: 1861, Groschenwagen Nr. 1 am Mariahilfplatz). 1863 kapituliert Zechmeister mangels Nachfrage, um fünf Jahre später einen zweiten Anlauf mit seinen „Pferde-Omnibussen“ (lt. „omnibus“ = für alle) zu wagen. 1882 stellt er den Betrieb erneut ein – diesmal zugunsten der neuen Pferde-Straßenbahn. Er kassiert dafür 13.000 Mark von der damaligen Trambahn-Direktion.

1876 Pferde-Trambahn auf Schienen

Pferde-Trambahn aus Schienen. Foto: MVG-München

Am 21. Oktober 1876 fährt erstmals eine Pferdetram auf Schienen (Abbildung). Die private „Münchner Tramway Ed. Otlet“ nimmt auf der Strecke Promenadeplatz – Hauptbahnhof – Maillingerstraße ihren Betrieb auf. Otlets Kapital reicht aber auf Dauer nicht aus. Deshalb gründet der aus Belgien stammende Ingenieur bereits 1878 mit einer französischen Finanzgruppe die „Sociéte Anonyme des Tramways de Munich“. Bis 1879 wächst das Pferdebahn-Netz auf 13,5 km Streckenlänge.
Drei Jahre später, im Sommer 1882, wird die Pferdetram bayerisch. Der Betrieb wird auf die neu gegründete Münchner Trambahn-Aktiengesellschaft (MTAG) übertragen, weil die belgisch-französische Firmengruppe um Otlet bei den Stadtvätern in Ungnade gefallen war. Die Stadt verpflichtet die MTAG zu einem umfangreichen Ausbauprogramm.
Eine Dampftrambahn vom Stiglmaierplatz zur Notburgastraße (1883 bis 1895) und die so genannte „Ungererbahn“ vom Feilitzschplatz zum Ungererbad (1886 bis 1895) – ein Vorläufer der elektrischen Straßenbahn – bleiben Randerscheinungen.

1895 Siegeszug der „Elektrischen“ und Eigenbetrieb

Siegeszug der „Elektrischen“ und Eigenbetrieb. Foto: MVG-München

1894 beschließt der Magistrat die Umstellung aller Tramlinien auf elektrische Traktion. Zum 23. Juni 1895 wird die Strecke Färbergraben – Isartalbahnhof als erste probeweise auf Oberleitungsbetrieb umgestellt (Abbildung: 1895, Z-Triebwagen). In den nächsten fünf Jahren folgen die übrigen Linien. 1903 befördern 1.142 Mitarbeiter mit 281 elektrischen Triebwagen und 312 Beiwagen auf fast 58 km Schienenstrecke über 40 Millionen Fahrgäste.
Doch die Kosten für Elektrifizierung und Netzausbau überfordern die private MTAG. Mitte 1907 übernimmt daher die Stadt München die Trambahn als kommunalen Eigenbetrieb unter dem Namen „Städtische Straßenbahnen“. Neubaustrecken und neue Wagen verhelfen der Tram in der Folgezeit zu Blütejahren. Motorbetriebene Busse können sich noch nicht etablieren: Der um die Jahrhundertwende gegründete erste Münchner Omnibusbetrieb von Ludwig Petuel hat – wie auch einige andere Vorhaben vor und nach ihm – nur wenige Jahre Bestand.

1914/39 Auf und Ab in Kriegs- und Krisenjahren

Auf und Ab in Kriegs- und Krisenjahren. Foto: MVG-München

Die beiden Weltkriege beeinträchtigen Betrieb und Infrastruktur der Münchner Trambahn nachhaltig. Mit Beginn des 1. Weltkriegs muss das aus 25 Linien bestehende Tramnetz wegen Einberufung jedes zweiten Mitarbeiters massiv eingeschränkt werden. Im September 1915 werden wegen Personalknappheit die ersten Frauen als Schaffnerinnen eingestellt, deren Zahl bis Kriegsende auf 770 anwächst. Die Tram transportiert nun auch Güter und Verwundete. Nach schweren Kriegsschäden und Betriebsunterbrechungen auch während der Revolutionszeit steht die Tram erst 1930 wieder in voller Blüte. Ihr Wagenpark umfasst damals nicht weniger als 518 Trieb- und 596 Beiwagen.
Langsam aber sicher tritt ab 1925 auch der Omnibus seinen Siegeszug an: 1939 gibt es bereits neun Linien mit 60 Fahrzeugen. Kriegsbedingt kommt das öffentliche Leben allerdings bald zum Erliegen. Das Gleisnetz wird im 2. Weltkrieg an 365 Stellen getroffen, das Fahrleitungsnetz an 717 Stellen beschädigt oder zerstört (Abbildung: 1944, zerstörte Wagen in der Arnulfstraße). Hilfs- und Notbahnen („Bockerlbahn“) ersetzen zeitweise die Tram. Ende April 1945 wird der Straßenbahnbetrieb auf allen Linien für vier Wochen eingestellt; der Busbetrieb ruht bis August 1945.

1945 Blütezeit und Niedergang der Tram

Blütezeit und Niedergang der Tram. Foto: MVG-München

Wegen Personal-, Material- und Wagenmangel sowie strengen Auflagen der ameri-kanischen Militärregierung nach dem Krieg kommt der Wiederaufbau der Tram nur langsam voran; zeitweise werden Straßenbahnlinien mit Bussen befahren. Das Netz von Bus-Zubringerlinien in den Außenbezirken wächst. Von 1948 bis 1966 verkehren auch Oberleitungsbusse (Romanplatz – Boschetsrieder Straße), ab 1955 entlasten Eilbus-Linien die Straßenbahn. Die Tram erhält 1950 den ersten modernen Großraumzug vom Typ M (Abbildung: 1950, M-Zug am Lenbachplatz). Ihr Wiederaufbau wird 1952 abgeschlossen. Ab 1956 entstehen auch Neubaustrecken.
Im Januar 1964 fällt der Stadtrat eine Grundsatzentscheidung zugunsten des U-Bahnbaus; bereits vorhandene Pläne für eine Unterpflaster-Straßenbahn werden nicht weiter verfolgt. Just in diesem Jahr erreicht das Trambahnnetz nach zwei Verlängerungen der Linie 8 nach Fürsten ried West und ins Hasenbergl mit 135 km Streckenlänge seine größte Ausdehnung. In den kommenden knapp 30 Jahren folgt Stilllegung auf Stilllegung, Neueröffnungen bilden die Ausnahme. Als erste Tramlinie wird die Linie 5 (Viktualienmarkt – Candidplatz) auf Busbetrieb umgestellt. Ein Wagen der legendären Linie 8 fährt im Jahr 1975 zum letzten Mal „ratternd durch die Stadt“.

1965 Ein neues Nahverkehrszeitalter

Ein neues Nahverkehrszeitalter. Foto: MVG-München

Am 1. Februar 1965 beginnt der U-Bahnbau am heutigen U-Bahnhof Nordfriedhof nach den Maßgaben eines ersten „Gesamtverkehrsplans“. Der Olympia-Zuschlag be-schleunigt 1966 den S- und U-Bahnbau. Am 19. Oktober 1971 eröffnet die 12 Kilometer lange U6 Kieferngarten – Goetheplatz als erste U-Bahn-Linie (Abbildung), am 8. Mai 1972 folgt die „Olympialinie“ U3. Etwa zeitgleich beginnt der S-Bahn-betrieb (28. April 1972). Der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) wird am 5. April 1971 ins Leben gerufen. 1981 befördert die U-Bahn erstmals mehr Fahrgäste als die Tram, 1984 sind es bereits 200 Millionen Menschen. Die Stadt Garching sorgt dafür, dass die U-Bahn 1995 erstmals die Münchner Grenzen überschreitet. Seit 1999 wird auch die Messestadt Ost angefahren.

1991 Weichenstellungen für die Zukunft der Tram

Weichenstellungen für die Zukunft der Tram. Foto: MVG-München

Die Einstellung der Linie 13 (Scheidplatz – Hasenbergl) zugunsten der U2 markiert 1993 den Tiefpunkt in der Geschichte der Trambahn. Das Netz ist auf gerade einmal 65 Kilometer geschrumpft, die von acht Linien bedient werden. Das bedeutet eine Stilllegung von über 50 Prozent des Streckennetzes in knapp 30 Jahren.
Vom Abstellgleis ist die Straßenbahn zu diesem Zeitpunkt aber schon wieder weit entfernt. Viele Münchnerinnen und Münchner hatten sich mit verschiedenen Initiativen für die „Rettung“ der Tram engagiert. 1984 bekannte sich Georg Kronawitter im damaligen Kommunalwahlkampf zur Tram – und wurde Oberbürgermeister. Der Münchner Stadtrat beschloss 1986 einstimmig die Erhaltung und Modernisierung der Münchner Trambahn. Und 1991 wird sie fester Bestandteil der „integrierten ÖPNV-Planung“. Im selben Jahr kommen die Prototypen der ersten niederflurigen Trambahnen der neuen Generation (Abbildung: R1 am Lenbachplatz), Mitte der Neunziger folgen 70 Serienfahrzeuge (Typ R2). Seit 1996 wird das Netz auch wieder ausgebaut: Am 1. Juni geht die Linie 17 nach Neuhausen und Nymphenburg wieder in Betrieb, ein Jahr gesamte Straßenbahnnetz beschleunigt.

2002 Öffentlicher Nahverkehr im Zeichen der MVG

Öffentlicher Nahverkehr im Zeichen der MVG. Foto: Martin Ortner

2002 übernimmt die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) den Linienbetrieb der bisherigen SWM Verkehrsbetriebe. Sie finanziert – entsprechend rechtlicher Rahmenbedingungen und Stadtratsvorgaben – die Betriebskosten eigenwirtschaftlich aus den Fahrgeldeinnahmen und ist für eine kontinuierliche optimale Anpassung des Leistungsangebots an die Nachfrage verantwortlich.
Im selben Jahr feiern die modernen C-Züge bei der U-Bahn Premiere; erstmals kommen damit durchgängige Gliederzüge zum Einsatz. 2004 wird das Busnetz mit dem Topbus-Konzept reformiert, 2007 eröffnet das MVG Museum. 2009 kehrt mit der Inbetriebnahme der Neubaustrecke in die Parkstadt Schwabing die Tram nach 38 Jahren Abstinenz an die Münchner Freiheit zurück. Ende 2010 wird der U-Bahnbau mit der Eröffnung der U3-Streckenverlängerung nach Moosach zumindest vorläufig abgeschlossen.
Dennoch gibt es keinen Stillstand bei der Entwicklung des ÖPNV. Die MVG-Angebotsoffensive 2010-2020 bildet den Masterplan für den weiteren Ausbau von Bus und Bahn. Bei der U-Bahn soll 2014 erstmals ein 2-Minuten-Takt realisiert werden, um Kapazitätsengpässen entgegenzuwirken. Bei der Tram steht Ende 2011 eine Netzreform an, um die Linien und den Fahrzeugeinsatz nachfragegerecht zu optimieren. Weitere Neubauprojekte wie die Tram-Verlängerung zum Pasinger Bahnhof, die Tram-Westtangente und die Tram-Nordtangente mit ihrem fahrleitungslosen Teilstück im Englischen Garten sind in Vorbereitung oder Planung.

150 Jahre nach seiner Einführung boomt der ÖPNV in München.
Die MVG heute
Stand 31.12.2010
MVG
U-Bahn
Tram
Bus
Betriebene Strecke (km)
626
95
75
456
Linien
84
6
11
67
Nachtlinien
13
4
9
Bahnhöfe und Haltestellen
1.170
100
155
915
Nachfrage (2010; in Mio.)
512
360
98
175
Fahrzeugbestand (SWM)
902
576
95
231
max. planmäßiger Fahrzeugeinsatz MVG
929
470
80
379*
Rolltreppen
774
738
36
Aufzüge
174
Mitarbeiter
2.694
* inklusive Fahrzeuge privater Bus-Kooperationspartner

Die folgende Chronik skizzierte die groben Entwicklungslinien des Münchner Nahverkehrs von den Anfängen 1861 bis heute (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Text von Presseaussendung / Genehmigung MVG - München - Herr Korte
Gestaltung von Franz Straka
August 2011