TRAMBAHN WINTERTHUR
Berichterstattung von Hans Rudi Lüthy-Pavan, Gestaltung von Franz Straka
seit 1938 Verkehrsbetriebe der Stadt Winterthur, 1983 in Winterthurer Verkehrsbetriebe umbenannt, seit 1990 Z V V = Zürcher Verkehrs-Verbund
Betriebseröffnungen

Winterthur-Töss 2,044 km 13.07.1898
Bahnhofquartier 116 m 01.11.1912
Grabengasse-Deutweg und
Bahnhof – Wülflingen 5,921 km 29.01.1915
Deutweg – Seen 1,867 km 30.11.1922
Stadtrain – Oberwinterthur 1,056 km 18.12.1931
Länge total 11,140 km
Stromart: 550 Volt Gleichstrom
Max. Steigung: 44 ‰
Betriebseinstellung: 03.11.1951

Die Stadt Winterthur hatte schon seit 1855 Eisenbahnverbindungen mit Romanshorn und Will, seit 1856 mit St. Gallen und seit 1887 mit Schaffhausen sowie Zürich-Oerlikon. Bedeutende und bekannte Firmen hatten sich in Winterthur angesiedelt (u.a. die Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik Winterthur (SLM), Gebr. Sulzer, Joh. Jak. Rieter Textilmaschinenfabrik). Fast alle großen Betriebe wurden sich zwischen dem Hauptbahnhof und der Aussengemeinde Töss angesiedelt. So lag es auf der Hand, diese wichtige Strasse mit einer Strassenbahn zu erschliessen.
Tramwagen Ce 2/2 Nummer 13 wurde 1946 an die Aarau-Schöffland-Bahn verkauft und 1950 dort ausgemustert. Foto: Slg. SVEA
Die Finanzierung der Bahn bot keine grossen Probleme. Bereits am 13. Juli 1898 rollten die ersten Tram-Motorwagen Ce 2/2 Nr. 1 – 4 und ein Anhängewagen C2 Nr. 5 zwischen dem Hauptbahnhof und der 1.770 m entfernten Endstation Töss. Als Einstellhalle wurde auf dem Areal Rieter in Töss ein Platz gefunden. Die Firma Rieter lieferte und baute auch die Geleise, das Wagenmaterial sowie die Fahrleitung. 1904 übernahm das Städtische Elektrizitätswerk die Stromversorgung von 550 V Gleichstrom.

1912 wurde die Zürcherstrass-Unterführung westlich des Hauptbahnhofes gebaut, womit sich der Ausgangspunkt der Trambahn seit dem 1. November 1912 wesentlich verbessert hatte. Das war der entscheidende Moment, das Tramnetz in Winterthur auszubauen.

Am 28. Jänner 1915 wurde die Linie 1 (Grabengasse – Deutweg) und die Linie 2 (Bahnhof – Wülflingen) in Betrieb genommen. Im Hinblick des Strassenausbaues und der geplanten Tramerweiterung wurde Ende 1914 neues Rollmaterial mit zehn Ce 2/2 11-20 (60 PS) und 1919 baugleiche Ce 2/2 Nr. 21-22 mit Anhängewagen C 2 Nr. 51-57 ergänzt. Durch den steigenden Verkehr mussten 1921 drei Ce 2/2 Nr. 31-33 neu beschafft werden und die ersten Motorwagen (Baujahr 1898) wurden zu Anhängewagen C 2 Nr. 61-65 umgebaut. Am 30. November 1922 wurde die Linie Deutweg – Dorfkern Seen in Betrieb genommen. Am Deutweg selbst entstand das neue Tramdepot. Im Quartier „Stadtrain“, an den Bahnschranken der NOB endete die Tramlinie und erst mit dem Bau der Stadtrainbrücke wurde der Ortsteil Oberwinterthur am 18. Dezember 1931 ans städtische Tramnetz angeschlossen. Diese Verlängerung bedingte im Jahre 1931 den Ankauf von fünf Motorwagen Ce 2/3 Nr. 1 – 5 (10,74 m Länge, 47 Plätze,

Bahnhofsidylle beim Hauptbahnhof Winterthur mit Tram, Trolley- und Autobus, ca. 1945. Foto: Slg. SVEA
ausgerüstet mit dem neu konstruierten SLM-Lenkuntergestell, 2 x 45 PS-Motoren, Differenzialgetriebe) samt einem dazu passenden Anhängewagen C 3 Nr. 81. Die äusseren Radsätze lagen in Drehgestellen und wurden von den längsliegenden Elektromotoren über Differentialgetriebe angetrieben.

Stelldichein vor dem Tramdepot Winterthur ca. 1915 aus der familie der Ce 2/3 Tramwagen.
Foto: SLM/Slg. SVEA
Da sich die Einzelachsen radial zur Kurve einstellten und eine starre Achsverbindung fehlte (sodass die Triebräder den zu fahrenden Weg ohne Schlupf voll abrollen konnten) fuhren diese Wagen ruhig und hatten ohne Schlingerbgewegungen einen sehr "weichen" Lauf. Anfänglich waren die Triebachsen mit Scheibenbremsen ausgerüstet, so dass die nicht durch Bremsklötze blank egalisierten Laufflächen im Wageninnern zu einem dumpf grollenden
Ton führten. Bei den nur wenig belasteten Laufrädern machte sich das Geräusch bei höherer Geschwindigkeit als heller, lallender Ton bemerkbar. Um dieses Geräusch abzustellen wurde an den Triebachsen eine kurvengängige sowie einstellbare Klotzbremse eingebaut, während die in der Mitte angeordneten Laufräder durch Speichenräder ersetzt oder mit Hartholzeinlagen versehen wurden. Die Bauarten mit Lenkdeichseln und Deichselgestellten eigneten sich sowohl für Motor- als auch Anhängewagen.

Dreiachszug Ce 2/3 wie im Text beschriebens SLM-Untergestell. Foto: SLM/Slg. SVEA

Ce 2/3 Tramwagen, SLM konstruktion.
Foto: SLM/Slg. SVEA
Bei der Birseckbahn (der Strassenbahn Basel) sowie bei Anhängewagen der Strassenbahn Bern wurden dementsprechende Umgebauten vorgenommen. Leider wurden diese Wagen nach zwanzigjähriger Betriebsdauer noch gut erhalten verschrottet. Deren Ausserbetriebssetzung 1951 fiel mitten in die gesamteuropäisch "ausgebrochene Strassenbahn-Einstellungswelle", so dass auf dem Markt bereits modernes, vierachsiges Rollmaterial angeboten wurde .

Mittagsverkehr auf dem Bahnhofsplatz in Winterthur um ca. 1918. Foto: Photoglob / Slg. SVEA

In der gleichen Zeitphase wurden auch die Beiwagen C 2 Nr. 71 und 72 beschafft weshalb die Trambahn Winterthur zu diesem Zeitpunkt 20 Motor- und 15 Beiwagen besass. Bis ins Jahr 1933 fuhren die Garnituren in „maigrüner“ Lackierung und wurden dann in die Stadtfarben Rot und Silber umgefärbt. Für die Schneeräumung, Salz- und Strassenreinigungen stand ein Dienstfahrzeug Xe 2/2 Nr. 111 im Einsatz. Dazu besass die Trambahn auch zwei kleine offene Güterwagen.

Für die schon lange gewünschte Linie zum Zentralfriedhof im Rosenberg wurde nicht mehr errichtet. Seit 1931 wurden hier benzinbetriebene Autobusse eingesetzt. Am Beginn der 1930er-Jahre begann man die Vor- und Nachteile von Autobus- bzw. Trolleybusbetrieb abzuwägen. In einer Volksabstimmung entschied man sich für den bisher nur in der Stadt Lausanne bekannten „geruchlosen“ Trolleybusbetrieb. Ab Weihnachten 1938 wurde die Linie 2 mit einem Trolleybus betrieben. Bereits 1941 verschwand die Tram auch auf der Strecke Deutweg-Seen. Da später auch der Tramersatz auf der ganzen Linie 1 (Töss-Oberwinterthur) vorgesehen war, jedoch die Tramfahrleitung dringend ersetzt werden musste, wurde sie durch eine einpolige Trolley-Fahrleitung ersetzt.

Noch 12 Tramwagen mit 6 Beiwagen meisterten den Betrieb, welche mit einem Trolley-Rutenstromabnehmer ausgerüstet wurden. Im Jahre 1951 wurde auch die Linie 1 durchgehend auf Trolleybus umgestellt und somit wurde die Tramära in der Stadt Winterthur beendet. 1938 wurde der Name auf „Verkehrsbetriebe der Stadt Winterthur“ mit den Initialen VW geändert (denn VBW war damals durch die Vereinigten Bern-Worb-Bahnen belegt). Da eine Verwechslung mit dem bekannten Autohersteller Volkswagen oft vorkam, nannte man den Betrieb schon bald


Ein Ce 2/2 Nummer 12 (Baujahr 1914) Tramwagen unter der Bahnhofs - Unterführung ca. 1920.
Foto: Werkbild Oerlikon /Slg. SVEA
„Winterthurer Verkehrsbetriebe WV“. Das Unternehmen ist seit 1990 , wie alle Transportunternehmungen des öffentlichen Verkehrs im Kanton Zürich, dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) unterstellt. Nur noch zufällig (z. Bsp. bei Grabungsarbeiten) treten die alten Tram-Rillenschienen zutage, welche seinerzeit zugegossen oder überteert worden sind und erinnern an den einstigen Winterthurer Trambetrieb. Ab und zu wird die Frage gestellt, ob der vor 50 Jahren gefällte Umstellungsentscheid richtig war, nachdem da und dort seiner Zeit aufgelassene Trambetriebe wieder neu und in moderner Form am Entstehen sind.
Quelle

Eisenbahn-Amateur 5/94 Franz Marty, WEA – Bericht über die Städt.Strassenbahn
SLM-Archiv
Fotos z.T. aus Sammlung SVEA

Text: Hans Rudi Lüthy-Pavan
Gestaltung: Franz Straka
Jänner 2010