Die Nürnberger Strassenbahn
 
Berichterstattung: Philipp Feder, Gestaltung: Martin Ortner und Franz Straka

Bereits 1835 gab es in Nürnberg das erste öffentliche Verkehrsmittel. Am 7 Dezember wurde die Ludwigsbahn von Nürnberg nach Fürth eröffnet. Obwohl es auf der 6 km langen Strecke einige Haltestellen gab (so etwa in Höhe der heutigen U-Bahnstation Maximilan-straße), genügte die Bahn nicht als Nahverkehrsmittel. Nicht zuletzt, weil die Bahn nie weiterwuchs und der Anschluss an das rasch wachsende bayrische Eisenbahnnetz unterblieb, schlug 1922 das letzte Stündlein der Ludwigsbahn.

Erste Gesuche um eine Konzession zum Bau einer Pferdebahn gab es bereits ab Mitte des 19ten Jahrhunderts. Erwähnenswert ist dabei der Vorschlag eine Pferdebahn vom Centralbahnhof zum Centralfriedhof (heute Westfriedhof) zu bauen, die neben den Personentransport auch den Leichentransport übernehmen sollte. Doch erst der Bremer Kaufmann Heinrich Alfes hatte 1881 Erfolg. Er erhielt die Konzession zum Bau einer Pferdebahn, die schließlich am 25.08.1881 auf der Strecke von Centralbahnhof durch die Innenstadt und über den Plärrer nach Fürth. In den folgenden Jahren wurde das Netz stetig erweitert.
 
Auch in Nürnberg begann alles mit der Pferdebahn . Foto: Philipp Feder

Aus der ersten Generation von elektrischen stammt der Triebwagen 3. Foto: Philipp Feder
 
1891 wurde in Halle/Saale die erste elektrische Strassenbahn in Deutschland eingerichtet. Die Firma AEG hatte Interesse daran, diese Technologie auch an andere Betriebe zu verkaufen und bot der Verwaltung der Nürnberg-Fürther Strassenbahn an, die weiße Linie (Central-bahnhof-Plärrer-Fürth) auf eigene Kosten zu elektrifizieren und nach Ende der Probezeit auch wieder zurückzubauen, sollte man mit den Ergebnissen nicht zufrieden sein. Allerdings entschied sich die Strassenbahngesellschaft, die Anlagen zu übernehmen und die restlichen Strecken ebenfalls zu elektrifizieren.

Im Jahr 1903 wurde die bis dato private Strassenbahngesellschaft von der Stadt Nürnberg übernommen, da die Strassenbahngesellschaft durch die Elektrifizierung finanziell stark angeschlagen war und nicht in der Lage war, die mit der Stadt vertraglich festgelegten Ausbauten des Netzes durchzuführen. Bis heute hält die Stadt 100% der Aktien der Verkehrsbetriebe.

Neben neuen Strecken wurden nun auch neue Fahrzeuge gebaut. Zeitgleich mit Inbetriebnahme der Triebwagen der 200er Serie 1904/05 wurde auch die bisher farbige Kennzeichnung der Linien durch Liniennummern ersetzt.


Seit 2003 ist der Triebwagen 204 von 1904 wieder betriebsfähig. Foto: Philipp Feder

Der Höhenflug der Strassenbahn endete jäh mit dem Beginn des ersten Weltkrieges. Geplante Streckenneubauten (etwa nach Erlangen) konnten nicht mehr realisiert werden und etliche Strassenbahner ließen in den sinnlosen Schlachten in Frankreich und Russland ihr Leben. Aufgrund des Personalmangels mussten erstmals Frauen als Schaffnerinnen eingesetzt werden. Dem Krieg folgte der Versailler Vertrag und dessen Nachwirkungen. Erst 1925 konnte wieder an neue Fahrzeuge gedacht werden. Bis 1929 wurden über 100 Fahrzeuge der Reihen 700 und 800 geliefert, die das Stadtbild bis in die 70er Jahre prägen sollten. Zeitgleich wurden 95, zu den Triebwagen, passende Beiwagen beschafft. Dieser Höhenflug wurde 1929 abrupt beendet, als die Folgen der Wirtschaftskrise in den USA Europa erreichten. Durch die rasende Inflation war das Geld über Nacht nichts mehr wert. Strassenbahnfahrten kosteten mehrer Millionen Reichsmark. Nur langsam erholte man sich wieder. Hohe Arbeitslosigkeit war aber bestimmend für diese Zeit. 1933 begann das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Nürnberg wurde zum Sinnbild für Führerkult und der staatlich verordneten Verfolgung, Misshandlung und Vernichtung von Millionen unschuldiger Menschen. Die Nürnberg-Fürther Strassenbahn jedoch hatte in diesen Jahren ihre größte Blütezeit; nie wieder zuvor oder danach war die Ausdehnung so groß, waren mehr Fahrzeuge unterwegs oder wurden mehr Fahrgäste befördert. Zu den jährlich im September stattfindenden Reichsparteitagen wurden bis zu einer Million Fahrgäste an einem Tag befördert. Um die Marschkolonnen zum Reichsparteitagsgelände nicht zu behindern, wurde 1938 die Unterpflasterstrecke an der Bayernstraße gebaut. Das Konstruktionsbüro des geplanten Einheitsstrassenbahnwagens wurde in Nürnberg eingerichtet und bestand bis in die 40er Jahre.

Doch spätestens im September 1939 zeigte der Nationalsozialismus sein wahres Gesicht. Mit dem Überfall auf Polen begann der zweite Weltkrieg. Zu Beginn waren dessen Auswirkungen auf kaum spürbar. 1940 wurden sogar noch 30 Triebwagen der Reihe 900 geliefert, die als Prototypen des Einheitsstrassenbahnwagens gelten. Aufgrund des Reichsleistungsgesetzes mussten jedoch schon bald Strassenbahnwagen in die besetzen Gebiete abgegeben werden müssen; so etwa nach Graz oder Krakow (Polen).
 

Die Serie 900 gilt als Vorläufer des geplanten Einheitsstrassenbahnwagens. Foto: Philipp Feder

Nach Scheitern des Russlandfeldzuges und den Angriff Alliierter Truppen in der Normandie am 6.6.1944 war klar, dass der Krieg für Nazi-Deutschland verloren war. Doch sollte noch fast ein Jahr bis Kriegsende ins Land gehen, in denen Nürnberg in verheerenden Bombennächten zu 95% zerstört werden sollte. Ganz besonders schlimm traf es die Stadt am 2.1.1945 als fast die komplette Altstadt in Schutt und Asche fiel. Immer mehr Strecken waren zerstört, immer mehr Fahrzeuge unbrauchbar. Am 16.04.1945 kam der Verkehr schließlich vollständig zum Erliegen.
Als der Krieg am 8.5.1945 zu Ende war, war Nürnberg fast komplett zerstört. Ein Großteil der Bevölkerung war ums Leben gekommen und an ein normales Leben war nicht zu denken. Doch bereits am 11.6.1945 fuhr die Strassenbahn bereits wieder zwischen Plärrer und Muggenhof. Gegenüber den ursprünglichen Planungen, Nürnberg an einen anderen Ort wieder aufzubauen und das zerbombte Nürnberg als Mahnmal für künftige Generationen zu erhalten, dass es nie wieder zu einer solchen Katastrophe kommt, bauten die Nürnbergerinnen und Nürnberger ihre schöne Stadt in einer Fleißarbeit auf, die jüngere Generationen nur staunen lässt. Bereits zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 war die Stadt größtenteils wieder aufgebaut und auch die Strassenbahn fuhr wieder auf fast allen Strecken. Zwar wurden einige Strecken nicht mehr aufgebaut, doch wurde schon über die Zukunft nachgedacht.

Anfang der 50er Jahre wurden 26 Triebwagen der Reihe 100 in Dienst gestellt. Obwohl sie noch zweiachsig waren, fanden sich viele Elemente der gerade in Planung befindlichen Großraum- und Gelenkwagen bei ihnen wieder. Zehn Jahre nach Kriegsende wurden die zwei Grossraumwagen Prototypen gebaut, denen bis 1960 67 Serienwagen folgten. Ab 1962 wurden zu deren Ergänzung 56 Gelenkten des Typs GT6 beschafft, die auf den Grossraumwagen basierten. Doch auch Verwaltungstechnisch gab es Änderungen. Die Nürnberg-Fürther Strassenbahn firmiert seit Ende 1959 als Verkehrs Aktien Gesellschaft Nürnberg unter dem Dach der Stadtwerke Nürnberg.

 

Ein Gelenktriebwagen mit seinen Beiwagen fast etwa 325 Fahrgäste . Foto: Philipp Feder
1965 entschied der Stadtrat über den Bau einer U-Bahn. Damit war der Plan zur Abschaffung der Straßenbahn gefasst, welcher bis zum Jahr 2000 verwirklicht werden sollte. Vier U-Bahnlinien sollten die Hauptstraßenbahnlinien ersetzen, die Nebenlinien sollten Busse übernehmen

Ein Pegnitzpfeil auf der Fahrt nach Fürth.
Foto: Philipp Feder

 

Das erste Teilstück der U-Bahnlinie 1 wurde 1972 zwischen Langwasser Süd und Bauernfeindstraße eröffnet. Ursprünglich war diese Strecke als Verlängerung der Strassenbahnlinie 1 vorgesehen, die ja schon bis Bauernfeindstraße fuhr. Dies ist auch heute noch erkennbar; so etwa an dem engen Bogen vor der Haltestelle Messe, der für Strassenbahnwagen ausgelegt ist. Von nun an ging es Schlag auf Schlag. 1978 erreichte die U-Bahn den Weißen Turm, 1985 den Fürther Hauptbahnhof.

Allen Stilllegungsplänen zum Trotz wurden in den Jahren 1976 und 1977 zwölf Triebwagen des Typs Stadtbahnwagen N6 beschafft. Die Zweirichtungswagen sollten bei Baustellen Pendelverkehre ermöglichen, was praktisch aber nie geschah. Nach Erweiterung zum Achtachser in den Jahren 1992/93 sind heute noch acht Stück dieser Wagen in Nürnberg, der Rest ging nach Krakow.

Durch den U-Bahnbau wurden etliche Strassenbahnlinien ersetzt. 1978 fuhr die letzte Straßenbahn zur Bauernfeindstraße, 1981 verabschiedete sich die Straßaboh aus Fürth; 1982 wurden die Äste nach Schweinau und zur Gustav-Adolf-Straße stillgelegt.

 

Seit 1992 teilniederflurig; TW 361.
Foto: Philipp Feder

Zum 150-jährigen Jubiläum der Ludwigsbahn, am 7.12.1985, erreichte die U-Bahn den Fürther Hauptbahnhof. In der zweiten Hälfte der 80er Jahre wurde das erste Teilstück der U2 zwischen Plärrer und Röthenbach eröffnet.; diese wurde bis 1999 zum Flughafen verlängert.


Seit 1995 fahren in Nürnberg Niederflurwagen.
Foto: Philipp Feder

1994 fasst der Nürnberger Stadtrat den Entschluss, die Strassenbahn zu erhalten und auszubauen. Als „Sofortmaßnahme“ wurden 14 Fahrzeuge des dreiteiligen MAN/AEG Niederflurtriebwagens GT6N in Dienst gestellt. Sie und die Stilllegung der Strecke nach Ziegelstein im Jahre 1996 machten die letzten Großraumwagen der 50er Jahre überflüssig. Ende des Jahrtausends folgte vierteilige Nachfolgegeneration GT8N in 26 Exemplaren.

Nur mit den Neubaustrecken ging und geht es nicht voran. 2002 wurde zwar die 1,1 km lange „Doku-Schleife“ eröffnet, die die bisherigen Endhaltestellen Luitpoldhain der Linie 9 und Dutzendeich der Linie 4 verbindet, doch die geplante Neubaustrecke nach Kornburg verschwand in den Schubladen und die Strecke nach Erlangen wird vorerst nur bis Wegfeld realisiert. Immerhin konnte im Jahr 2003 der neue Betriebshof „Heinrich-Alfes-Straße“ eröffnet werden.

Als vorerst letzte Linie wurde im Juni 2008 die fahrerlose U3 zwischen Gustav-Adolf-Straße und Maxfeld eröffnet. Diese soll verlängert werden und zumindest die U2 in absehbarer Zeit ebenfalls auf fahrerlosen Betrieb umgestellt werden.Und auch bei der Strassenbahn tut sich was. Ab Sommer 2008 sollen die ersten Variobahnen in den Einsatz gehen. Insgesamt acht Fahrzeuge dieses Typs sollen die letzten N8 ersetzen.

 

Nürnbergs neueste Strassenbahngeneration: Die Variobahn. Foto: Philipp Feder

Im Laufe ihrer fast 130-jährigen Geschichte hat die Nürnberger Strassenbahn so manche stürmischen Zeiten überlebt. Seit nunmehr fast 15 Jahren fährt sie in eine gesicherte Zukunft. Hoffen wir, dass geplante Neubaustrecken realisiert werden und größere Stilllegungen ausbleiben.

Text & Bilder: Philipp Feder
Gestaltung: Franz Straka & Martin Ortner
September 2008