Letzter Stadionverkehr mittels der Strassenbahn in Wien 2008

Berichterstattung Dipl.-Päd. Martin Ortner / Gestaltung Franz Straka
Einleitung

Am Mittwoch, dem 26. März 2008 ging ein weiteres Kapitel der Wiener Strassenbahngeschichte zu Ende. Es verkehrten zum letzten Mal Züge der Strassenbahn für den Transport der Fußballfans vom Praterstern zum Ernst Happel Stadion. Im Zubringerverkehr vor Spielbeginn fuhren zusätzliche Verstärkerzüge der Linien O, 21 und 29 zwischen dem Praterstern und dem Stadion. Nach dem Spielende wurden außerdem Züge der Linien 5 und 43 zum Abtransport der Fans eingesetzt. Der 26. März 2008 war somit der letzte Betriebstag der vom Betriebsbahnhof Floridsdorf gestellten Stadionsonderlinie 29. Die beiden anderen Stadionsonderlinien 72 und 45 verkehrten im Juli 2003 bzw. August 2006 zum letzten Mal. Die Züge der Linie 72 wurden vom Betriebsbahnhof Simmering und die Wagen der Linie 45 vom Bahnhof Breitensee gestellt, welcher Ende 2006 aufgelassen wurde. Die Züge der Linie 5 im Stadionverkehr wurden immer vom Bahnhof Rudolfsheim aus in Betrieb gesetzt, während jene der Linie 21 aus Brigittenau, der Linie 43 aus Hernals und jene des O-Wagens aus Favoriten ausrückten. Das Schwergewicht am Wagenauslauf hatten dabei die Linien 21 und O zu tragen, die anderen Stadionlinien (5, 29, 43, 45 und 72) waren meist nur mit je fünf Wagen am Stadionbetrieb beteiligt. Um genügend Transportkapazität für die Fans bereitstellen zu können, wurden die Züge vor Spielende in der Engerth- sowie der Wehlistraße gestapelt. Der Betrieb der Linie 21 wurde, um den Stapel aufbauen zu können, bis zur Schleife am Elderschplatz zurückgezogen. An Stelle der Strassenbahn verkehrten drei Busse als Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen Elderschplatz und Praterkai. Am 26. März 2008 verkehrten die Busse 8803, 8503 und 8512, wobei bemerkenswert war, dass jeder Bus eine andere Fahrtzielanzeige aufwies (Sonderwagen/Wiener Linien, 21, Ersatzverkehr). Um den Abtransport der Besucher des Stadions rascher bewerkstelligen zu können, wurde 2007 der Ablauf neu geregelt. Stand bis zu diesen Zeitpunkt nur die Haltestelle Stadion der Linie 21 als Einstiegstelle zur Verfügung, so errichtete man nun zwei neue Einstiegstellen. Die Erste war am Beginn der Stadionschleife angeordnet, während die Zweite vor der Meiereistraße in Fahrtrichtung Praterstern war. Die Haltestellenbereiche waren asphaltiert und verfügten nur über eine provisorische Haltestellentafel. Die Länge der Haltestelle war so gewählt, dass jeweils zwei Züge abgefertigt werden konnten. Die Haltestelle am Josef-Fritsch-Weg wurde durch die Züge des Stapels in der Engerthstraße bedient, der Stapel in der Wehlistraße diente der Haltestelle vor der Meiereistraße. Da für den Abtransport der Besucher jedoch meist zu wenige Züge vorhanden waren, mussten einige Garnituren ein zweites Mal die Stadionschleife anfahren (am letzten Betriebstag fuhren alle Züge eine zweite Runde). Dabei wurden abwechselnd zwei Züge zur Bedienung der Haltestelle am Fritsch-Weg eingesetzt und zwei Züge fuhren leer durch, um die Haltestelle Meiereistraße bedienen zu können. Die Abfertigung der Züge erfolgte durch „Bahnsteigabfertiger“, welche auch die Türen der Wagen schlossen. Um die Abreise der Fans zu erleichtern, wurde wie früher beim Zentralfriedhofsverkehr das Fahrtziel sowie die Fahrtroute der Züge per Lautsprecher angesagt. Die meisten Fahrgäste stiegen zwar am Praterstern aus, doch konnte man durch die unterschiedlichen Fahrtrouten der Züge große Teile Wiens ohne umzusteigen erreichen. Das größte Problem beim Abtransport der Fußballfans war jedoch der Auto- und Busverkehr. So kam es gerade an Kreuzungen oft zum Rückstau von Zügen, wodurch lange Fahrtzeiten entstanden. Eine Fahrt vom Stadion zum Elderschplatz dauerte z.B. am 06. Februar 2008 über 25 Minuten (Normalbetrieb ca. 5 Minuten). Am letzten Betriebstag gelang jedoch durch händische Regelung der Ampeln und Fahrverboten eine rasche Beförderung der Fahrgäste, welche nur durch einen Unfall gegen Ende des Abtransportes behindert wurde. Somit konnte der letzte Zug des Stadionverkehrs – ein Zug der Linie 5 - um ca. 23 Uhr 30 Minuten vom Stadion in den Bahnhof Rudolfsheim einrücken. Das Team von strassenbahn-europa.at besuchte den letzten Strassenbahnverkehr zum Stadion. Begleiten Sie uns noch einmal durch den Abend des 26. März 2008. Unsere Reise beginnt um 18 Uhr im Betriebsbahnhof Favoriten. Soeben fährt der erste Zug der Linie O in Richtung Stadion aus. Die Garnituren stehen in den Hallen I und II bereitgestellt und verlassen im Abstand von fünf Minuten den Bahnhof. Als Besonderheit haben alle Wagen nicht nur den traditionellen „Zebrazettel“, sondern auch ein Schild mit einen Stadionsymbol sowie einen grünen Fußball.


Zebrazettel und Stadionlogo mit Fußball.
Foto: M. Ortner
E1 4511 mit c3 1211 fahren als zweiter Zug der
Linie O aus dem Bahnhof aus. Foto: M. Ortner

E1 4528 mit c3 1251 wartet in der Halle I auf seinen Einsatz, welcher erst beim Abtransport der Fans erfolgen sollte. Foto: M. Ortner

E1 4845 mit Beiwagen Type c4, ein Leihzug aus Hernals, steht bereitgestellt. Foto: M. Ortner

Die Züge folgen dem Streckenverlauf der Linie O bis zum Praterstern, biegen dort in die Ausstellungsstraße ein und fahren über Elderschplatz und Engerthstraße zum Stadion. Sie halten, wie alle Verstärkerzüge, nicht in der Haltestelle Stadion der Linie 21, sondern in einer provisorischen Haltestelle am Beginn des Josef-Fritsch-Weges.



E1 4514 mit c3 1264 biegt aus der Gudrunstraße in der Laxenburger Straße ein. Foto: M. Ortner

Ein Zug der Linie 29 (E1 4820 + c4 ) ist gerade in der Endhaltestelle Stadionschleife eingetroffen.
Foto: M. Ortner

Ein Zug der Linie 21 (E1 4827 + c4 1327) hat seine Fahrgäste aussteigen lassen. Er ist als Einschubwagen durch den Zebrazettel leicht erkennbar. Foto: M. Ortner

E 1 4509 mit Beiwagen c3 1252 am
Josef-Fritsch-Weg. Foto: M. Ortner

Um den Betriebsablauf am Praterstern verfolgen zu können, fuhren wir mit einem Planzug der Linie 21 zurück zum Praterstern, da alle Verstärkerzüge als Sonderzug retour fuhren. Am Praterstern eingetroffen, bot sich uns das übliche Bild (wie bei allen Veranstaltungen im Stadion), es waren jedoch zusätzliche Wegweiser und Hinweistafel aufgestellt worden. Als um 20 Uhr 30 Minuten der Beginn des Spieles näher rückte, nahmen die Verstärkerzüge ihre Warteposition in der Schleife der ehemaligen Messelinie 81 ein. Es sollten daher nur der erste und der letzte Wagen besetzt sein. Zu unser allen Überraschung, konnte die anwesenden Fotografen dank dem persönlichen Engagements eines Fahrers einige „Blaue Züge“ fotografieren.




„Blauer“ Stadion 21er steht im Stapel am Praterstern bereit. Foto: M. Ortner

E1 4748 mit c4 1318 als „Blauer“. Die blaue Zusatztafel über dem Zielschild dienten der Kennzeichnung des täglich letzten Zuges jeder Linie. Foto: M. Ortner

E1 4793 mit Zebrazettel, Stadionsymbol, grünen Fußball und Riesenrad. Foto: M. Ortner

E1 4537 und c3 1163 treffen auf ihrer Einführungsfahrt am Praterstern ein. Foto: M. Ortner

Nach einer kurzen Pause begann die Zuführung der Züge für den Abtransport der Stadionbesucher.






Ein Zug der Linie 29 biegt am Praterstern zur Ausstellungsstraße ab. Foto: M. Ortner


Zug E1 4855 mit Beiwagen c4 1358 der Linie 43 vom Bahnhof Hernals trifft am Praterstern ein. Der Triebwagen ist ein sogenannter „Brosezug“. Da am Broseband zwar die Linie 43 enthalten ist, aber das Fahrtziel Stadion nur in Verbindung mit der Linie 45 vorhanden ist, wurden Zusatztafeln mit dem Ziel Stadion bzw Praterstern / Hernals hinter die Scheibe gestellt. Foto: M. Ortner

Einschubzüge auf ihrer Fahrt zum Stadion dürfen keine Fahrgäste befördern, so mussten wir auf einen Planzug der Linie 21 warten, welcher jedoch nur zum Elderschplatz fuhr. Dort wurde in den wartenden Autobus des SEV umgestiegen, welcher uns bis zur Doktor-Natterer-Gasse brachte.


Triebwagen E1 4521 mit Beiwagen c3 1245 biegt von der Kafkastraße auf den Elderschplatz ein. Im Hintergrund wartet ein Zug der Linie 29. Foto: M. Ortner

Autobus des SEV, Wagennummer 8803, biegt gleich von der Engerthstraße in die Doktor-Natterer-Gasse ein. Foto: M. Ortner

Dort angekommen, konnten wir den Aufbau der provisorischen Einstiegstelle auf Höhe der Meiereistraße dokumentieren. Die planmäßige Haltestelle war, so wie die Haltestelle Stadion der Linie 21, vorübergehend aufgelassen worden.


Die provisorische Haltestelle wird aufgebaut. Zusätzliche Scheinwerfer dienen zur Ausleuchtung
des Haltestellenbereichs. Foto: M. Ortner


Der Triebwagen des Beiwagens 1333 der Linie 29 ist kurioserweise am hinteren Dachsignal als Zug der Linie 31 besteckt. Foto: M. Ortner

Der Stapel in der Engerthstraße steht bereit, und alle Bediensteten sowie die zahlreichen Fotografen warten auf das Ende des Spiels. Wir gehen also neben den abgestellten Züge Richtung Stadionschleife entlang, um auch die Züge in der Wehlistraße fotografieren zu können.


Ein Zug der Linie 5 steht vor dem Ferry-Dusika-Stadion. Die Verstärkerzüge der Linie 5 zum Stadion wiesen
eine korrekte Innenbesteckung auf. Foto: M. Ortner

Routentafel des Sonderverkehrs Praterstern – Stadion. Foto: M. Ortner

E1 4511 und c3 1211 stehen am Beginn des
Stapels in der Wehlistraße und warten auf den Abtransport der Fans. Foto: M. Ortner

Ein Zug des Stadioneinschubs der Linie 21 wartet in der Stadionschleife auf seine Abfahrt. Foto: M. Ortner

Die Heimreise der Fans beginnt. Jeweils zwei Züge werden gleichzeitig in den beiden Einstiegstellen abgefertigt, so dass um 23 Uhr 30 Minuten der letzte Zug seine Heimreise antritt.


Niederflurbus 8512 des SEV der Linie 21 begegnet Zug 4804 + 1334 der Linie 21 (Kreuzung Wehlistraße / Heinrich-Maxa-Gasse). Foto: M. Ortner

Zug 4748 + 1318 der Stadionsonderlinie 29 warten in der Haltestelle Stadionschleife auf seine Abfahrtsfreigabe. Foto: M. Ortner

Triebwagen E1 4863 der Linie 43 fährt aus der Stadionschleife aus und begegnet einen wartenden Zug der Linie 29. Foto: M. Ortner

Zug der Linie 29 (4748 + 1318), als „Blauer“ mit dem Fahrtziel Praterstern, quert gerade die Heinrich-Maxa-Gasse. Foto: M. Ortner

Als vorletzter Zug des Stapels steht 4803 + 1343 der Linie 29 in der Wehlistraße für seine Fahrt zum Praterstern bereit. Foto: M. Ortner

Ein Bus des SEV bog gerade von der Heinrich-Maxa-Gasse in die Wehlistraße ein (Wagennummer 8503). Foto: M. Ortner


Zug 4855 + 1358 der Linie 43 biegt gleich vom Marathonweg in die Engerthstraße ab. Foto: M. Ortner

Der Triebwagen 4549 mit Beiwagen (Linie 5) stehen abfahrtsbereit in der aufgelassenen Haltestelle Stadion. Foto: M. Ortner

Ein einziehender Zug der Linie 5 (4485 + 1373) begegnet einem Zug der Linie 21 (4816 + 1305) in
der „verhüllten“ Haltestelle Stadion.
Foto: M. Ortner

Als letzter Zug hält ein Zug der Linie O (4531 + 1231) in der provisorischen Einstiegstelle vor der Meiereistraße. Der nächste Zug hält bereits wieder planmäßig in der Haltestelle nach der Meiereistraße. Foto: M. Ortner

Der Zug der Linie 5 hat sein Ziel Betriebsbahnhof Rudolfsheim schon fast erreicht und hält in der Haltestelle Kranzgasse. Foto: M. Ortner

Mein Dank gilt allen Bediensteten der Wiener Linien und der Exekutive, welche all die Jahre hindurch dafür gesorgt haben, dass die Strassenbahn ohne größere Probleme den Besucheransturm standhielt.
Ein Dankeschön möchte ich - auch im Namen aller anderen Fotografen - dem Fahrer des Zuges 4748+1318 der Linie 29 sowie seinem Kollegen der Linie 21 aussprechen, welche durch ihr persönliches Engagement die letzte Stadionsonderlinie 29 aus Floridsdorf würdig als „Blaue“ verabschiedet haben.

Martin Ortner
Chefredakteur Onlinemagazin Strassenbahn-Europa

Text: Dipl.-Päd. Martin Ortner
Gestaltung: Franz Straka
April 2008